Ob eine Erektionsstörung eine spezifische Krankheit oder eine normale Alterserscheinung (Andropause) ist, ist nicht die richtige Frage: Sie ist vor allem ein Symptom, genau wie Fieber oder Schmerzen. Die Ursache einer Erektionsstörung muss deshalb vor allem medizinisch untersucht werden, bevor an eine Therapie gedacht werden kann.
Die Ursachen von Erektionsstörungen sind so vielfältig wie vielschichtig: Häufig sind mehrere mögliche Ursachen auszumachen, die für eine Erektionsstörung verantwortlich sein könnten. Als Grundsatz jedes therapeutischen Handelns ist somit die Behebung der Ursachen eines der prioritären Ziele. Erst wenn diese Massnahmen nicht greifen, kann an eine spezifische Therapie zur Behebung der Erektionsstörung gedacht werden. Es
muss dabei bedacht werden, dass die aktuell möglichen pharmakologischen Therapien lediglich eine Symptombekämpfung darstellen und in keinem Fall die Ursachen beheben.
Alte und neue Mittel gegen Erektionsstörungen
Bis vor ziemlich genau 20 Jahren war die Behebung einer Erektionsstörung eine eher abenteuerliche Angelegenheit. Die äusserliche Anwendung von Vakuumpumpen und Injektionen mit Substanzen in den Schwellkörper des Penis waren damals noch die gängigsten Methoden.
Klar, dass so etwas nicht für jedermann infrage kam. Seit nunmehr 20 Jahren gibt es Mittel in Form von Pillen, welche das Problem vorübergehend lösen.
Einblicke
Penis-Vakuumpumpe für die Erektion
Die Penis-Vakuumpumpe erfreute sich in den 1980er-Jahren einer gewissen Popularität, da sie einem Teil der Patienten eine Penisprothese ersparte. Das Prinzip der Vakuumpumpe ist relativ einfach: Der Penis wird abgedichtet in eine Plastikröhre eingeführt und dabei wird ein Unterdruck mit einer Vakuumpumpe erzeugt.
Durch den Unterdruck in der Röhre fliesst das Blut von den Blutgefässen in die Schwellkörper, sodass physikalisch eine Erektion erzeugt wird.
An der Basis der Röhre ist ein Ring vorhanden, der das
Zurückfliessen des Blutes verhindert und so die Erektion aufrechterhält. Vakuumpumpen sind in der Regel sicher anzuwenden und sind vor allem nicht invasiv, das heisst, dass man keine Injektionen durchführen muss.
Vakuumpumpen sollten nicht angewendet werden, wenn man antikoaguliert ist, weil durch den mechanisch erzeugten Unterdruck leicht Blutungen unter der Haut am Penis entstehen können. Auch der Ring an der Basis des Penis kann unter Umständen während der Ejakulation störend wirken.
Penisinjektionen für die Erektion
Penisinjektionen werden ebenfalls seit über 30 Jahren zur Erzeugung einer Erektion angewendet. Die Wirkstoffe werden direkt in die Schwellkörper injiziert und erzeugen lokal eine Gefässerweiterung der Arterien, welche das Blut zu den Schwellkörpern führen. Damit wird vereinfacht eine Erektion erzeugt, die bis zum Abbau der Wirkstoffe bestehen bleibt. Die Injektionstechnik muss erlernt werden. Die beiden Schwellkörper werden am besten durch schräg seitliche Injektionen am Penis erreicht.
Die Wirkstoffe, die in den Schwellkörper injiziert werden, verursachen in den Zellen der Gefässwände einen Abbau des intrazellulären Kalziums, worauf die Blutgefässwände erschlaffen und somit das Blut von den Penisarterien in die Schwellkörper fliesst. Die Injektionen sind relativ ungefährlich und auch gut verträglich, da die injizierten Substanzen lokal abgebaut werden.
Durch die Injektionen können aber Narben im Bindegewebe des Penis entstehen. Die Vernarbungen können mit der Zeit auch zu Verengungen (Strikturen) oder Verkrümmungen des Penis führen.
MUSE
MUSE (Medicated Urethral System for Erection) für die Erektion. Seit mehreren Jahren gibt es auch eine Methode, die es ermöglicht, die Wirkstoffe ohne Injektion in den Penis zu verabreichen. Dafür werden mit einem kleinen Stab und einer Pumpe Wirkstoffe in der Harnröhre deponiert. Diese Wirkstoffe verteilen sich dann in die Schwellkörper und erzeugen eine Erektion. Es handelt sich hierbei generell um die Substanzen, die auch in den Penis injiziert werden. Der Vorteil von MUSE liegt in der Tatsache, dass man die Wirkstoffe nicht in die Schwellkörper injizieren muss.
Penisprothesen
Penisprothesen werden seit den 1970er-Jahren zur Behebung einer Erektionsstörung angewendet. Dabei werden in den Schwellkörpern aufblasbare Prothesen eingebaut, welche über einen Mechanismus «aufgepumpt» werden können.
Dass eine solche Methode nicht ganz ungefährlich und sehr kostspielig ist, versteht sich von selbst. Auch heute werden solche Prothesen mitunter noch angewendet, aber nur, wenn alle anderen Verfahren versagt haben.
Orale Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen
Seit rund 20 Jahren kann das Symptom der mangelnden Erektion auch mit oralen Medikamenten angegangen werden. Sildenafil war damals das erste Mittel, welches oral eingenommen die Erektion förderte.
Dabei ist auch die Geschichte zu diesem Wirkstoff interessant. Ursprünglich wurde mit dem Wirkstoff versucht, eine Verengung der Herzkranzgefässe (Angina Pectoris) zu behandeln, was aber nicht gut funktionierte.
Bei den vielen männlichen Testpersonen wurde jedoch zufällig beobachtet, dass unter Anwendung dieses Wirkstoffes die Erektionen besser funktionierten. Aufgrund dieses Nebenbefundes wurde dann der Wirkstoff in der Indikation zur Behandlung von Erektionsstörungen weiter untersucht und entwickelt.
So entstand das erste orale Medikament zur Behandlung von Erektionsstörungen.
Wie wirkt das Sildenafil?
Die zellulären Mechanismen der Erektion sind schon seit Längerem bekannt. Bei der psychischen Erregung wird in der Region der Nervenenden, die die Arterien im Bereich des Penis innervieren, ein Botenstoff (Stickstoffmonoxid, NO) freigesetzt, der in den Gefässwandzellen eine Kaskade auslöst, welche zur Reduktion des intrazellulären Kalziums führt. Durch die intrazelluläre Kalziumabnahme erschlaffen die Gefässwände, sodass das Blut in die Schwellkörper des Penis einfliessen kann. Dadurch entsteht eine Erektion.
Die intrazelluläre Kaskade, welche zu der Erschlaffung der Gefässwände führt, geht mit einer verstärkten Bildung von zyklischem Guanosin-Monophosphat (cGMP) einher. cGMP dient als Substrat für Enzyme, welches das Kalzium intrazellulär reduziert.
Das cGMP wird dann in der Zelle von einem weiteren Enzym abgebaut, nämlich von der Phosphodiesterase 5 (PDE5). Je nachdem, wie viel cGMP in der Zelle vorhanden ist, wird eine Erektion aufrechterhalten oder eben auch nicht.
Damit das cGMP in ausreichenden Mengen intrazellulär zur Verfügung steht, muss über die innervierenden Neuronen genügend NO freigesetzt werden. Dies geschieht nur, wenn die Nervenbahnen intakt sind und man psychisch erregt ist. Ein weiterer Faktor zur Aufrechterhaltung der Erektion ist die Geschwindigkeit, mit der das cGMP in der Zelle durch die Phosphodiesterase 5 abgebaut wird. Gerade an diesem Enzym setzt die Wirkung von Sildenafil an.
Sildenafil blockiert die Phosphodiesterase 5 (PDE5-Hemmer) und bewirkt so, dass die Phosphodiesterase das cGMP langsamer abbaut. Das hat zur Folge, dass das cGMP in höheren Konzentrationen und für längere Zeit in der Zelle verbleibt, wodurch die Erektion ermöglicht wird und zudem länger andauert.
Da der Wirkstoff Sildenafil relativ schnell abgebaut wird, ist in der Regel keine Gefahr einer Dauererektion (Priapismus) zu befürchten. Von Priapismus spricht man, wenn eine Erektion schmerzhaft ist und über 2 Stunden andauert.
Wie wirken alle anderen Potenzmittel (Tadalafil, Vardenafil, Avanafil)?
Die nach Sildenafil eingeführten Wirkstoffe haben alle denselben Angriffspunkt in den Zellen der Gefässwände. Es sind allesamt Phosphodiesterase-5-Hemmer wie das Sildenafil.
Die Unterschiede zwischen den Wirkstoffen sind minim, sodass für keines der Produkte eine Überlegenheit in der Wirkung ausgemacht werden kann. Die Wahl der Behandlung muss mit dem Arzt nach sorgfältiger Untersuchung getroffen werden.
Welche Nebenwirkungen haben Potenzmittel?
Die oralen Mittel (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil) greifen allesamt am gleichen Ort an. Es erstaunt deshalb nicht, dass damit auch die Nebenwirkungen dieser Wirkstoffe im Allgemeinen sehr ähnlich sind. Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen bei Sildenafil sind Kopfschmerzen, Schwindel und Errötung im Gesicht sowie verschwommene Sicht, verstopfte Nase, Übelkeit, Oberbauchschmerzen und Magenbrennen. Eine komplette und detaillierte Liste der Nebenwirkungen kann jeweils aus den entsprechenden Produktinformationen entnommen werden (www.swissmedicinfo.ch). Je höher die angewendete Dosierung dieser Medikamente, desto wahrscheinlicher sind dann auch Nebenwirkungen. Es ist also in der Regel ratsam, jeweils die niedrigste wirksame Dosis zu verwenden, um möglichst wenige Nebenwirkungen zu erfahren.
Wann muss man mit Potenzmitteln aufpassen?
Aufgrund der langjährigen Erfahrungen steht fest, dass die oralen Potenzmittel (Phosphodiesterase-5-Hemmer) im Allgemeinen relativ gut verträglich sind. Es gibt jedoch Krankheiten, bei denen die Anwendung von solchen Potenzmitteln nicht erlaubt ist. Da der Wirkstoff grundsätzlich eine gefässerweiternde Wirkung hat, darf er nicht angewendet werden, wenn bereits andere Wirkstoffe mit einer gefässerweiternden Wirkung verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Patienten, die mit Stickoxid-Donatoren (Nitraten) wegen einer Herzkranzgefässkrankheit (Angina Pectoris) oder nach einem Herzinfarkt behandelt werden.
Im Allgemeinen muss auch aufgepasst werden, wenn bereits andere Medikamente, welche den Blutdruck senken, verwendet werden, weil die Phosphodiesterase-5-Hemmer den Blutdruck noch zusätzlich senken können. Auch Patienten, die Blutverdünner (Antikoagulantien) wie das Cumarin verwenden, müssen bei der Anwendung von Potenzmitteln aufpassen. Eine ausführliche und vollständige Liste der Gegenanzeigen ist in den Fachinformationen der entsprechenden Medikamente zu finden (www.swissmedicinfo.ch).